Einfluss der EZB-Politik auf Tagesgeldzinsen

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Der Sommer 2022 markierte im Euroraum eine Kehrtwende: Erstmals seit mehr als elf Jahren zogen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank wieder die Zinsen an. Mit dem Ende der Niedrig- und Nullzinsphase wurden erstmals auch Tages- und Festgeldkonten wieder stärker verzinst – das wird sich wahrscheinlich schon in diesem Jahr wieder ändern.

Geldpolitik der Notenbanken: Wie wirkt sie sich auf Tagesgeld-Sparer aus?

Die FED in den USA und die EZB im Euroraum: Beides sind Zentralbanken, deren Aufgabenfelder sich teilweise überschneiden, aber nicht komplett identisch sind. Während die FED neben der Währungsstabilität auch ein Mandat zur Steuerung der Arbeitslosenquote hat, obliegt der EZB allen voran die Währungsstabilität – und zwar in allen Ländern, die den Euro nutzen. Das Mandat der Währungsstabilität und die davon abgeleitete Geldpolitik entscheiden auf direkte Weise, welche Zinssätze Sparer auf ihren Tages- und Festgeldkonten erwarten dürfen. Trotzdem lohnt sich aus Sicht von Sparern stets ein Tagesgeld Zinsen Vergleich: Denn Banken dürfen ihre eigenen Zinskonditionen frei bilden und müssen sich dafür nicht zwangsläufig an den Zinssätzen der EZB orientieren.

Die Geldpolitik der EZB kann wahlweise expansiv oder restriktiv sein: Zum aktuellen Zeitpunkt ist sie restriktiv, zwischen den Jahren 2011 und 2022 war sie (stark) expansiv. Die aktuell restriktive Zinspolitik ist eine direkte Antwort der Zentralbank auf die zuvor grassierende hohe Inflation: Indem die EZB Geld „teurer“ macht, durch höhere Leitzinsen, reduziert sie die wirtschaftliche Aktivität – und kann damit die Inflation wieder runterbringen und somit ihr Mandat zur Währungsstabilität des Euros erfüllen. Welche Geldpolitikstrategie die Zentralbank aktuell verfolgt, nimmt den größten Einfluss auf die Zinsen von Sparern.

Leitzins und Einlagefazilität

Der Leitzins ist der, der typischerweise in den Medien am stärksten zitiert wird: Das ist der Zinssatz, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen. Aktuell liegt dieser bei 4,50 %, nachdem er zuvor jahrelang zwischen 0 und 1 % lag. Für Sparer noch wichtiger ist aber ein anderer Zinssatz, nämlich der der Einlagefazilität. Dieser beträgt aktuell 4 %. Zu diesem Zins können Banken ihr eigenes Kapital (beziehungsweise das ihrer Kunden) bei der EZB verzinsen lassen. Dafür „senden“ diese Banken das Kapital am Abend zur EZB, über Nacht wird es verzinst und am nächsten Morgen zieht die Bank es wieder ab, um selbst damit zu wirtschaften.

Die Einlagefazilität bildet im besten Fall, aus Kundensicht, Eins-zu-Eins die Verzinsung des Tagesgeldkontos ab. Verzinst eine Bank aktuell das Tagesgeldkonto mit 4 %, gibt sie an ihren Kunden also die komplette Zinshöhe aus der Einlagefazilität weiter. Tagesgeldkonten, die lediglich mit beispielsweise 3 % verzinst werden, führen folglich dazu, dass sich die Bank 1 % der Einlagefazilität einbehält und nur ein Teil der Realverzinsung beim Tagesgeldkunden ankommt. Die erhalten damit automatisch eine einfache Orientierungshilfe dahingehend, ob das jeweilige Tagesgeldangebot attraktiv ist – oder eben nicht.

Den Rahmen der Tagesgeldzinsen gibt de facto die EZB vor – die exakte Ausgestaltung obliegt der jeweiligen Bank

Die EZB-Geldpolitik für die Euro-Gemeinschaftswährung kann die Situation jederzeit wieder ändern: Greift diese, nachdem die Inflationsrate nachhaltig „runtergekommen“ ist, wieder eine expansive Geldpolitik auf, wird das zu einer Senkung von Leitzins und Einlagefazilität führen – danach können sich Banken fortan leichter Geld leihen, erhalten durch geringere Übernacht-Raten aber auch weniger Zinsen auf das dort gelagerte Kapital. Sobald das passiert, ist auch mit einer Senkung der Tagesgeldzinsen zu rechnen – aus diesem Grund existieren als Alternative Festgeldkonten, mit denen Sparer den Ist-Zins für längere Zeit fixieren können.

Tobias Friedrich
Tobias Friedrichhttps://wochenkurier.de
Tobias Friedrich, Jahrgang 1971, lebt mit seiner Familie in Berlin. Als freier Journalist schrieb er bereits für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Berliner Zeitung, Spiegel Online und die Süddeutsche Zeitung. Der studierte Wirtschaftsjurist liebt ortsunabhängiges Arbeiten. Mit seinem Laptop und seinem Zwergpinscher Jerry ist er die Hälfte des Jahres auf Reisen.

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